Pressemitteilung des West-Ost-Instituts zur erneuten Präsidentschaftskandidatur von Wladimir Putin im März 2012 (von Prof. Dr. Eberhard Schneider)

Dass der Parteitag von „Einiges Russland“ am 24. September zur Nominierung der Kandidaten für die Staatsdumawahl am 4. Dezember den Parteivorsitzenden und Premier Wladimir Putin auch zum Kandidaten der Machtpartei für die Präsidentenwahl im März 2012 nominierte, war hinsichtlich des Zeitpunkts und des Inhalts überraschend. Normalerweise wäre der Präsidentschaftskandidat auf dem Parteitag nach der Staatsdumawahl im Dezember nominiert worden.

Präsident Dmitrij Medwedew hätte laut Verfassung noch ein zweites Mal kandidieren können. Putin verweigert ihm das. Nun wird er selbst – höchstwahrscheinlich – zweimal für sechs Jahre antreten und bis zum Jahr 2024 Präsident sein. Dann ist er 71 Jahre alt.

Für Putin war die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts der Zerfall der Sowjetunion. Diese war Folge der Reformpolitik von Michail Gorbatschow. Für Putin ist es offensichtlich notwendig, alles kontrollieren zu können. Der Reformprozess, den Medwedew vorsichtig zu versuchen begann, indem er den kleineren Parteien etwas mehr polischen Spielraum verschaffte und über die Rücknahme weiterer Einschnitte in das demokratische System öffentlich nachdachte, die der damalige Präsident Putin 2000 und 2004 vorgenommen hatte, ist für Putin offensichtlich nicht akzeptabel.

Was bedeutet eine erneute Präsidentschaft Putins für Russland?

Medwedew hatte erkannt, das Russland dringend einer umfassenden Modernisierung bedarf, die auch eine politische Modernisierung und die Hilfe des Westens einschließt. Um den Westen nicht völlig zu verprellen, soll nun, wie ebenfalls der Parteitag vorschlug, Medwedew Regierungschef unter Putin werden.

Unter einem neuen Präsidenten Putin dürfte es nur eine wirtschaftlich-technokratische Modernisierung geben. Sie wird allerdings bald an ihre Grenzen stoßen, wenn sie nicht mit einer politischen Modernisierung verbunden wird, denn die Menschen und eine Gesellschaft sind auf Dauer nicht teilbar, wie die jüngste arabische Revolution zeigt.

Die politische Modernisierung setzt Vertrauen in die freien gesellschaftlichen Kräfte voraus, zu dem sich Putin aufgrund seiner tiefen sowjetischen Prägung augenscheinlich nicht durchringen kann. Wenn die politische Modernisierung nicht erfolgt, dürfte Russland mittelfristig auf das Niveau einer Mittelmacht absinken, in der dann selbst die Modernisierungsgegner ihre heutigen Positionen nicht mehr werden halten können.